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1. Gründe für die staatliche Risikoübernahme

Als Folge der terroristischen Anschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington wurde sowohl in der Versicherungspraxis als auch in der Wissenschaft eine kontroverse Diskussion über die staatliche Risikoübernahme von Terrorrisiken ausgelöst. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob der Staat bei solchen als „nicht versicherbar“  [2] geltenden Terrorismusrisiken die Haftung übernehmen soll.

Bis zu den Anschlägen vom 11. September 2001 galten die Terrorismusrisiken weltweit als versicherbar [3], obwohl terroristische Anschläge bereits vor diesem Datum in einer Vielzahl von Staaten verübt worden sind. Erst das bis dato nicht vorstellbare Schadenausmaß, das alle von den Versicherungsunternehmen für denkbar gehaltenen Schadensszenarien bei weitem überstieg, lässt das Terrorrisiko als unversicherbar erscheinen. [4] Probleme für die Versicherungswirtschaft entstehen dann, wenn das Schadenpotenzial so gewaltig hoch ist, dass die Kapazitäten der Versicherungsmärkte überschritten werden. Dies ist vor allem der Fall bei Kumulrisiken, d.h. Risiken, bei denen eine sehr große Zahl von Versicherungsverträgen von einem Schadenereignis (z.B. einem terroristischen Anschlag) betroffen wird.

Die Begründung für eine staatliche Risikoübernahme erschließt sich vor allem aus der volkswirtschaftlichen Funktion von Versicherungen. [5] Da die meisten Menschen als risikoscheu gelten, ermöglicht erst das Vorhandensein von Versicherungsschutz bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten. [6] Einschränkungen des Versicherungsschutzes können manche Investoren dazu veranlassen, geplante Investitionen aufgrund des höheren Risikos nicht durchzuführen. [7] Die Beeinträchtigung der Investitionstätigkeit hat wiederum Auswirkungen auf die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen. Um die Arbeitsmarktlage und den sozialen Frieden zu stabilisieren, ist der Staat in solchen Fällen mangelnden Versicherungsangebots privatwirtschaftlicher Seite gezwungen, staatliche Garantien bzw. staatlichen Versicherungsschutz zu gewähren. [8]

Auch aus ordnungspolitischer Sicht ist eine staatliche Risiko-(Mit)übernahme bei Terrorrisiken wünschenswert, denn die innere und äußere Sicherheit gehören zu den hoheitlichen Aufgaben des Staates. Wenn die staatlichen Institutionen versagt haben [9], lässt sich eine staatliche (Mit)-Haftung für die entstandenen Schäden rechtfertigen. [10] Auch wenn vonseiten der Politik immer beteuert wird, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gebe, schließt dieses Argument eine staatliche Mithaftung nicht aus.

Allerdings hat der staatliche Versicherungsschutz nicht uneingeschränkt positive Effekte. Bei einer privaten Versicherungslösung wird das Risiko genau analysiert und Versicherungsschutz nur gegen eine risikogerechte Prämie gewährt. Dadurch werden zu riskante und volkswirtschaftlich deshalb ineffiziente Aktivitäten herausgefiltert. Dagegen tritt bei der staatlichen Risikoübernahme an die Stelle risikogerechter Tarifierung die politische Entscheidung, bestimmte „wünschenswerte“ Aktivitäten zu ermöglichen. Dies birgt die Gefahr, dass die staatlich Versicherten weniger in Schadenverhütungsmaßnahmen investieren [11], da sich höhere Investitionen in Schadenverhütungsmaßnahmen nicht in der zu zahlenden Versicherungsprämie niederschlagen. [12] Darüber hinaus können bei staatlicher Risikoübernahme wohlfahrtsökonomisch zu riskante Produktionstechnologien gewählt werden, die unter Berücksichtigung ihres hohen Gefährdungsgrades nicht effizient sind. [13]

Eine weitere Gefahr, die von der staatlichen Risikoübernahme ausgeht, liegt in der wettbewerbsverzerrenden Subventionierung von bestimmten Aktivitäten oder Wirtschaftszweigen. So wird z.B. bei den staatlich gewährten Hermes-Bürgschafen das Ausfallrisiko von Exporteuren in Ländern mit besonders hohem Kreditrisiko nicht mit risikogerechter Prämie versichert, sondern zu einem politisch für wünschenswert gehaltenen Preis. Dadurch sollen die Exporte in diese Länder gefördert werden. Eine solche Subventionierung könnte einen Verstoß gegen das europäische Wettbewerbsrecht darstellen. Die staatliche Risikoübernahme bei Terrorismusrisiken könnte den Wettbewerb auf dem europäischen Markt für terroristische Versicherungen behindern und eine verbotene staatliche Beihilfe im Sinne des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) begründen.

Als Folge der Ereignisse des 11. September 2001 ist in Deutschland die Extremus Versicherungsaktiengesellschaft [14] entstanden, die Versicherungsschutz gegen Terrorismusrisiken anbietet und an deren Haftung der deutsche Staat beteiligt ist. Fraglich ist, ob eine solche Staatsbeteiligung an der Extremus AG eine unzulässige Beihilfe im Sinne des Art. 87 EGV darstellt und damit gegen das europäische Wettbewerbsrecht verstößt. Diese Frage ist Hauptgegenstand der Erläuterungen des vorliegenden Aufsatzes.

Um diese Frage zu beantworten, werden im nächsten Kapitel die Konstruktion und die Arbeitsweise der Extremus AG in einem groben Überblick dargestellt. Anschließend erfolgt im Kapitel 3 die Beschreibung der europäischen Wettbewerbsvorschriften und des Gemeinsamen Marktes, dessen Errichtung nach Art. 2 EGV eine der Hauptaufgaben der Europäischen Gemeinschaft ist. Im Kapitel 4 wird überprüft, in wie fern die staatliche Mithaftung bei der Extremus AG eine unzulässige staatliche Beihilfe für die Extremus AG darstellen und somit gegen die beihilferechtlichen Bestimmungen des europäischen Wettbewerbsrechts verstoßen könnte.

2. Darstellung der Extremus AG

2.1. Entstehungsgeschichte

Die deutsche Industrie fand sich bald nach den Anschlägen in Amerika ohne Schutz vor terroristischen Anschlägen wieder, da Rückversicherer und Erstversicherer das Terrorismusrisiko als nicht mehr tragbar ansahen. [15] Die Zeichungskapazitäten der Versicherungsunternehmen wurden in dieser Zeit zusätzlich durch eine anhaltende Baisse-Phase an den weltweiten Börsen geschwächt. Vor dem Hintergrund des Versicherungsnotstands setzte sich die deutsche Versicherungsindustrie mit der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland zusammen, mit dem Ziel einen Spezialversicherer zu gründen, der die Terrorrisiken wieder versichern sollte.

Am 26. April 2002 sagte die Bundesregierung der Versicherungswirtschaft eine staatlichen Deckung von 10 Mio. Euro zu, jedoch nur unter der Bedingung, dass die deutsche Versicherungswirtschaft die ersten 3 Mio. Euro Schaden in einem Versicherungsfall decken würde und die Versicherung von Terrorismusrisiken im privaten Bereich, bei kleineren und mittleren gewerbetreibenden Kunden, weiterhin von Erstversicherern versichert würde. Des Weiteren müsste für die größeren Betriebe eine strikte Trennung zwischen Sach- bzw. Feuerversicherung und der Terrorismusversicherung geschaffen werden. [16]

Nachdem es gelungen war, die benötigten 3 Mio. Euro Deckung auf dem privaten Versicherungsmarkt zu gewinnen, wurde am 3. September 2002 in Köln die Extremus Versicherungsaktiengesellschaft gegründet, welche die Zeichnung von großgewerblichen Risiken, aber auch solcher der Kommunen, religiöser Einrichtungen und Immobilien übernehmen sollte. Die Zulassung als Versicherungs-AG erfolgte am 22. Oktober 2002, wodurch der Betrieb am 1. November 2002 aufgenommen wurde. [17]

2.2. Struktur der Extremus AG

Bei der Extremus AG handelt es sich um einen Spezialversicherer, der ausschließlich Terrorismusrisiken ab einer Versicherungssumme von 25 Mio. Euro versichert und eine Gesamtdeckung von 13 Mrd. vorweisen kann. Die Aufteilung dieser Deckung war bis zum 31.03.2004 in drei Layer unterteilt. Der erste Layer mit einer Haftungshöhe von 1,5 Mrd. Euro wurde von deutschen Erst- und Rückversicherern zur Verfügung gestellt. Der zweite Layer, welcher ebenfalls ein Deckungsvermögen von 1,5 Mrd. Euro aufweist, wurde durch internationale Erst- und Rückversicherer gedeckt. Der dritte und letzte Layer wurde vom Staat in Höhe von 10 Mrd. Euro gesichert, jedoch vorerst nur bis Ende 2005. [18]

Versichert sind Schäden durch Feuer, Explosion, Aufprall von Flugkörpern, Anprall von Fahrzeugen und sonstige böswillige Beschädigungen als Folge eines terroristischen Anschlags in Deutschland. Nicht gedeckt sind dagegen die Folgen von Kriegen und kriegsartigen Ereignissen, aber auch von Attacken mit nuklearer Strahlung, biologischen oder chemischen Substanzen. [19] Die in der folgenden Aufzählung erwähnten Objekte sind durch die Terrorversicherung versichert, solange diese auf Grund eines terroristischen Akts beschädigt oder zerstört worden sind:

  • Gebäude und sonstige Grundstücksbestandteile ohne Zubehör,

  • im Vertrag aufgeführte bewegliche Sachen, wie z.B. für den Betrieb notwendige Gabelstapler,

  • in Obhut gegebene Besitztümer Dritter, soweit sie zur Verwaltung, Bearbeitung oder Benutzung in die Hand des Versicherungsnehmers gegeben worden sind,

  • Feuerlöschkosten,

  • Aufräumungs- und Abbruchkosten,

  • Kontaminationsbeseitigungskosten,

  • Bewegungs- und Schutzkosten,

  • Wiederherstellungskosten für Akten, Pläne, Geschäftsbücher, Karteien, etc.

  • Mehrkosten infolge von Preissteigerungen im Zeitraum vom Eintritt des Schadens bis zur Wiederherstellung des versicherten Objekts.

Die maximale Jahreshöchstentschädigung ist auf 1,5 Mrd. Euro pro Objekt begrenzt. Jeder Versicherungsnehmer kann für sein Risiko eine Jahreshöchstentschädigung wählen. Sofern diese unterhalb der Gesamtversicherungssumme liegt, reduziert sich seine Beitragslast entsprechend.

2.3. Entwicklung der Extremus AG

Nach anfänglich großer Nachfrage an Terrorismusversicherung ist diese proportional zu den Erinnerungen an den 11. September abgeebbt. [20] Extremus hatte sich Prämieneinnahmen von 300 Mio. Euro als Ziel für 2003 gesetzt, doch dieses bei weitem verfehlt. Insgesamt ist die Anzahl der Verträge auf 1.176 gewachsen, welche inklusive der Beitragsüberträge von 2002 Prämieneinnahmen von 105,18 Mio. Euro brachten, bei einer Versicherungssumme von 647 Mrd. Euro. [21] Von diesen Verträgen sind 46 Rückversicherungsverträge von Erstversicherern, die Verträge mit einem Ablauf später als 31.12.2002 gezeichnet hatten, welche Terrorismus als Ursache einschlossen.

Auch im Jahr 2004 lief der Versicherungsabschluss eher zögerlich. Selbst die Anschläge von Madrid am 11.März 2004 konnten daran nichts ändern. [22] Viele Versicherungskunden verlängerten ihre Verträge nicht oder verringerten ihre Jahreshöchstentschädigung. Großkunden erwarben auf den klassischen Versicherungsmärkten eine weniger kostspielige Versicherung, meist mit einer reduzierten Deckung. Bei kleineren Risiken hingegen kam es eher zu einer vermehrten Zeichnung. Insgesamt blieb die Anzahl der Verträge daher nicht wesentlich unter dem Vorjahresniveau bei 1.070, welche flächendeckend über Deutschland verteilt waren, mit einem deutlichen Schwerpunkt auf den Ballungsgebieten. Die daraus resultierenden Prämieneinnahmen sanken auf 77,5 Mio. Euro im Vergleich zu 85,2 Mio. Euro in 2003. [23]

Ab dem 1.4.2004 wurde die aggregierte Jahreskapazität von der Extremus AG auf 10 Mrd. Euro gekürzt, da die Nachfrage nach Terrorversicherungspolice weit hinter den ursprünglich prognostizierten Erwartungen blieb. [24] Die Versicherungswirtschaft übernimmt Schäden von Terroranschlägen bis zur Höhe von 2 Mrd. €, während der deutsche Staat die darüber liegende Haftungssumme von 8 Mrd. € trägt.

Aufgrund dieser Änderungen und der dadurch verringerten Kosten der Rückversicherungsdeckung gelang es Extremus, nicht nur einen Gewinn für 2004 ausweisen zu können, sondern auch die Verluste der ersten 14 Monate zu kompensieren. Der versicherungstechnische Gewinn lag bei 0,87 Mio. Euro, von denen 0,86 Mio. Euro in die Terrorrisikenrückstellung gestellt wurden, wodurch sich die Garantiemittel stärkten.

2005 wird aufgrund des verschärften Wettbewerbs und des Trends zu verringerten Versicherungssummen vonseiten der Extremus AG mit einem weiteren Rückgang der Beitragseinnahmen auf 60 Mio. Euro bei etwa 1000 Versicherungsverträgen gerechnet. [25]

3. Konzeption und Systematik des europäischen Wettbewerbsrechts

3.1. Geltungsbereich

Der Schutz des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Wettbewerbs-verzerrungen ist eine der zentralen Aufgaben der europäischen Gemeinschaft. Die Erhaltung des Wettbewerbs bildet eine zentrale Voraussetzung für den freien Handelsverkehr in der EU. Der Gemeinsame Markt, dessen Errichtung nach Art. 2 EGV eine der Hauptaufgaben der EG ist, beruht auf einem Zusammenwachsen der Märkte und zielt daher auf eine Beseitigung aller Hindernisse im innergemeinschaftlichen Handel. Basis eines solchen Wirtschaftsraumes ist die Entfaltung von Wettbewerb zwischen den Wirtschaftssubjekten. Art. 3 Buchst. g EGV schreibt vor, dass die Tätigkeit der Gemeinschaft ein System umfasst, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützt.

Die Bedeutung des europäischen Wettbewerbsrechts wird dadurch unterstrichen, dass die europäische Wirtschaftspolitik gemäß Art. 4 EGV dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist. Wettbewerb ist deshalb sowohl vor Beeinträchtigungen durch (private) Konkurrenten als auch vor Verfälschungen durch staatliche Maßnahmen zu schützen. Das erste Ziel wird durch die Wettbewerbsvorschriften für Unternehmen (unternehmensbezogene Vorschriften) sichergestellt, das zweite Ziel vor allem durch das grundsätzliche Verbot staatlicher Beihilfen (staatsbezogene Vorschriften).

Ziel des europäischen Wettbewerbsrechts ist die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Binnenmarkts, so dass nur zwischenstaatliche Wettbewerbsbeschränkungen in den Regelungsbereich des europäischen Wettbewerbsrechts fallen. Die Gefahr einer Behinderung des zwischenstaatlichen Handels ist besonders groß, wenn Leistungserbringer und Leistungsempfänger in verschiedenen Mitgliedsstaaten ansässig sind. [26]

Entscheidend für die Anwendbarkeit der europäischen Wettbewerbsregeln auf Terrorversicherung ist die Tatsache, dass es sich bei Versicherungsleistungen um typische sog. Korrespondenzdienstleistungen handelt. Es sind vor allem Dienstleistungen, die die zwischenstaatlichen Grenzen überschreiten können, ohne dass einer der Vertragspartner seinen Aufenthaltsort verändern muss und somit geeignet sind, über die mitgliedsstaatlichen Grenzen hinweg gehandelt zu werden. [27]

3.2. Unternehmensbezogene Vorschriften Art. 81, 82 sowie 86 EGV

3.2.1. Art. 81 EGV

Das Kartellverbot des Art. 81 EGV verbietet den Unternehmen Verhaltensweisen, die die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit anderer Unternehmen beschränken. [28] Danach sind alle Vereinbarungen bzw. aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen, welche den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten der europäischen Union zu beeinträchtigen geeignet sind, mit dem europäischen Wettbewerbsrecht unvereinbar und damit verboten.

Es genügt also, wenn die abgestimmten Verhaltensweisen dem Handel zwischen den Mitgliedstaaten schaden könnten, etwa durch Abschotten nationaler Märkte oder eine Veränderung der Konkurrenzstruktur. Darüber hinaus muss sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lassen, dass die entsprechende Verhaltensweise unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell den Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten beeinflussen kann. Die zu befürchtenden Auswirkungen dürfen mithin nicht lediglich national sein, sondern müssen eine gemeinschaftliche Dimension haben. Durch Art. 81 EGV soll der Wettbewerb im Handel zwischen den Mitgliedsstaaten auf allen Handelsstufen vor wettbewerbsverzerrenden Vereinbarungen, insbesondere Preisabstimmung, Marktaufteilung, Diskriminierung, geschützt werden. [29]

Von Art. 81 Abs. 1 EG erfasste Verhaltensweisen können gemäß Art. 81 Abs. 3 EG unter folgenden Voraussetzungen ausnahmsweise zulässig sein:

  • sie müssen zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen,

  • an dem dabei entstehenden Gewinn die Verbraucher angemessen beteiligen,

  • lediglich für die Verwirklichung der verfolgten Ziele unerlässliche Wettbewerbsbeschränkungen wählen und

  • sie dürfen nicht die Möglichkeit eröffnen, für einen wesentlichen Teil der betroffenen Waren den Wettbewerb gänzlich auszuschalten.

3.2.2. Art. 82 EGV

Während Art. 81 EGV das wettbewerbsbeschränkende Zusammenwirken mehrerer Unternehmen sanktioniert, wird gemäß Art. 82 EGV der Missbrauch marktbeherrschender Stellung einzelner Unternehmen für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und damit verboten erklärt. [30] Je höher die Marktanteile eines Unternehmens sind, desto größer ist die Gefahr, dass dieses marktbeherrschende Unternehmen seine Marktmacht missbraucht, z.B. durch die unmittelbare oder mittelbare Erzwingung von unangemessenen Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder durch Preisdiskriminierung zwischen verschiedenen Handelspartnern, um den eigenen Gewinn zu maximieren.

Die Voraussetzungen für ein Verbot sind:

  • das Unternehmen befindet sich in beherrschender Stellung;

  • das Unternehmen beherrscht den Gemeinsamen Markt oder einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes.

Beispiele für den Missbrauch einer beherrschenden Stellung sind:

  • überhöhte Preise;

  • zu niedrige Preise (Dumping-Preise), um schwächere Wettbewerber oder Neuzugänger vom Markt fernzuhalten;

  • das Unternehmen gewährt bestimmten Kunden diskriminierende Vorteile, wenn diese bereit sind, die Geschäftspolitik des Lieferanten beim Wiederkauf zu befolgen.

Von dem Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung gibt es keinerlei Freistellungsregelung. Die Kommission kann derartige Missbräuche untersagen und gegebenenfalls gegen die betreffenden Unternehmen Geldbußen festsetzen. Art. 81 und 82 EGV erfassen zwar verschiedene Konstellationen, jedoch können in bestimmten Fällen beide Artikel zur Anwendung kommen [31], etwa wenn zwei marktbeherrschende Unternehmen in zwei Mitgliedsstaaten durch Preisabsprachen die jeweiligen Gewinnspannen erhöhen wollen.

Zu berücksichtigen ist, dass der Art. 82 EGV dem Wortlaut nach nur den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung einzelner Unternehmen verbietet. Die Existenz einer solchen Marktmacht bzw. das Streben danach fällt nicht in den Regelungsbereich des Artikels 82 EGV und wird auch nicht sanktioniert. Art. 82 umfasst somit lediglich wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen, die dem Unternehmen ohne seine marktbeherrschende Stellung und bei funktionierendem Wettbewerb nicht möglich wären. [32]

3.2.3. Art. 86 EGV

Diese Vorschrift regelt die Behandlung von öffentlichen Unternehmen. Nach Art. 86 Abs. 1 EGV wird die grundsätzliche Gleichbehandlung von öffentlichen Unternehmen mit privaten Unternehmen postuliert [33], d.h. die Vorschriften gegen Wettbewerbsverzerrungen gelten im gleichen Umfang auch für die Unternehmen der öffentlichen Hand.

Art. 86 Abs. 2 EGV machen für öffentliche Unternehmen mit besonderen Aufgaben eine Ausnahme. Sofern diese Unternehmen mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, dürfen sie von den Wettbewerbsregeln abweichen, wenn die Anwendung dieser Regeln die Erfüllung der übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindert. [34] Diese Ausnahmevorschrift tangiert nicht nur die unternehmensbezogenen Wettbewerbsvorschriften, sondern auch die staatsbezogenen Vorschriften, d.h. auch staatlich gewährte Beihilfen im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EGV könnten unter den Voraussetzungen des Art. 86 Abs. 2 EGV ausnahmsweise zulässig sein. Jedoch ist diese Ausnahmeregelung subsidiär gegenüber spezielleren Ausnahmevorschriften wie z.B. Art. 87 Abs. 2 und 3 EGV. [35]

Nach dem Wortlaut des Art. 86 Abs. 2 EGV handelt es sich hier um eine stets zu prüfende Ausnahmeregelung, die eng auszulegen ist. [36] Darüber hinaus darf durch diese Ausnahmeregelung der Handelsverkehr nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft. Hier muss stets eine Interessenabwägung zwischen dem Nutzengewinn durch die besonderen Aufgaben von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse auf nationaler Ebene einerseits und dem Nutzenverlust durch die Wettbewerbsbehinderung auf Gemeinschaftsebene andererseits durchgeführt werden.

Art. 86 Abs. 3 EGV ordnet die gewissenhafte Überprüfung der Ausnahmetatbestände durch die Europäische Kommission an, damit die Wettbewerbsregeln nicht durch diese „Hintertür“ der besonderen Aufgabe außer Kraft gesetzt werden können.

3.3. Staatsbezogene Vorschriften, Art. 87 bis 89 EGV

Die Beihilfevorschriften der Art. 87 bis 89 EGV regeln die Wettbewerbsverzerrungen, die durch die Gewährung von staatlichen Beihilfen entstehen können. Ziel dieser Beihilferegelungen ist es, die Chancengleichheit zwischen den Unternehmen vor Wettbewerbsstörungen durch eine unkontrollierte Subventionspolitik der einzelnen Mitgliedsstaaten zu gewährleisten. [37] Zur Errichtung unverfälschten Wettbewerbs innerhalb eines Gemeinsamen Marktes ist es notwendig, staatliche Subventionstätigkeiten zu unterbinden oder zumindest einheitlichen Regeln zu unterstellen.

3.3.1. Grundsätzliches Verbot staatlicher Beihilfen

Der EGV wählt gemäß Art. 87 Abs. 1 EGV als methodischen Ansatz das grundsätzliche Verbot staatlicher Beihilfen gleich welcher Art, die durch Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen. Es genügt also die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung. Eine solche ist z.B. bereits durch die Entlastung von bestimmten Produktionszweigen oder Unternehmen von Zahlungs- und auch Verhaltenspflichten gegeben.

Art. 87 Abs. 1 EGV will vor einer Verfälschung des Wettbewerbs durch staatliche Beihilfen schützen. Der Begriff „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art“ ist daher weit und zweckorientiert zu verstehen. [38] Entscheidend ist die Wirkung einer Maßnahme, unabhängig von ihrer Bezeichnung und von ihrem Ziel. Beihilfen sind somit alle Begünstigungen, soweit sie nicht durch eine marktgerechte Gegenleistung des Begünstigten kompensiert werden. [39] Es werden daher nicht nur direkte finanzielle Zuwendungen erfasst, sondern alle Entlastungen von Kosten, die ein Unternehmen bei unverfälschtem wirtschaftlichem Ablauf zu tragen hätte. Auch die fehlende Inanspruchnahme von bestimmten Unternehmen durch den Staat oder deren spezifische Aussparung von einer gesetzlichen Regelung könnte eine Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EGV darstellen.

Erforderlich ist jedoch, dass die Beihilfe staatlich ist oder zumindest aus staatlichen Mitteln gewährt wird. Das bedeutet, dass nicht notwendig staatliche Institutionen die Vergünstigung vergeben müssen. Es reicht aus, dass der Staat hinter einer solchen Vergabe steht und die Beihilfe aus staatlichen Mitteln finanziert wird.

Das in Art. 87 Abs. 1 EGV postulierte generelle Verbot staatlicher Beihilfen wird jedoch durch zahlreiche Ausnahmeregelungen in den Absätzen 2 und 3 aufgeweicht. [40]

3.3.2. Ausnahmeregelungen nach Art. 87 Abs. 2 EGV

In diesem Absatz werden bestimmte staatliche Beihilfen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt und zwar ohne eine Wertungsmöglichkeit. Es handelt sich hierbei um drei abschließend aufgezählte Arten von Beihilfen:

  1. Beihilfen sozialer Art an einzelne Verbraucher, wenn sie ohne Diskriminierung nach der Herkunft der Waren gewährt werden;

  2. Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind;

  3. Beihilfen für die Wirtschaft bestimmter, durch die Teilung Deutschlands betroffener Gebiete der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie zum Ausgleich der durch die Teilung verursachten wirtschaftlichen Nachteile erforderlich sind.

Wie bereits erwähnt sind nach dem Wortlaut des Art. 87 Abs. 2 EGV die Ausnahmeregelungen ohne eine Wertungsmöglichkeit anzuwenden. Für die staatliche Terrorversicherung kommt vor allem Art 87 Abs. 2 Buchst b EGV in Betracht. Danach sind die Beihilfen zur Beseitigung von Schäden durch Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Ereignisse ausnahmsweise zulässig. Unter den außergewöhnlichen Ereignissen werden neben kriegerischen Handlungen und schweren innerstaatlichen Unruhen auch Terroranschläge subsumiert. [41]

3.3.3. Ausnahmeregelungen nach Art. 87 Abs. 3 EGV

Art. 87 Abs. 3 EGV legt Konstellationen fest, für die Beihilfen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden können. Dazu gehören namentlich:

  1. Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht;

  2. Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamen europäischen Interesse oder zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats;

  3. Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft;

  4. Beihilfen zur Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes, soweit sie die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Maß beeinträchtigen, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft;

  5. sonstige Arten von Beihilfen, die der Rat durch eine Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission bestimmt.

Art. 87 Abs. 3 EGV ist auslegungsfähig und birgt ein erhebliches Konfliktpotenzial in sich, da die Ausnahmen des Absatz 3, anders als diejenigen des Absatz 2, eine Ermessensentscheidung der Kommission sind. Bei der Prüfung, ob staatliche Risikoübernahme mit dem europäischen Wettbewerbsrecht vereinbar ist, hat die Kommission bisher von dem Ermessensspielraum nach Art. 87 Abs. 3 EGV nicht Gebrauch gemacht [42], da in diesem Fall Art. 87 Abs. 2 Buchst b EGV einschlägig ist.

Die Kommission ist gemäß Art. 88 EGV alleine für die Überwachung der staatlichen Beihilfen zuständig. Nur eine unabhängige Behörde ist in der Lage, die durch staatliche Beihilfen der Mitgliedstaaten verursachten Beeinträchtigungen der Funktionsweise des Gemeinsamen Marktes einzuschätzen. Sie prüft auch die von den Mitgliedstaaten geplanten neuen Beihilfen, die ihr zuvor gemeldet werden müssen.

Die Kommission untersucht aber auch diejenigen Beihilfen, die von den Mitgliedstaaten unrechtmäßig durchgeführt wurden, ohne sie zuvor der Kommission gemeldet oder ihre Entscheidung abgewartet zu haben. Oft erfährt die Kommission von derartigen Beihilfen durch die von konkurrierenden Unternehmen eingelegten Beschwerden. Im Falle der Unvereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht kann die Kommission gemäß Art. 88 Abs. 2 EGV diese Beihilfen untersagen, und dem zuwiderhandelnden Mitgliedstaat wird auferlegt, die Beihilfe zurückzufordern.

4. Wettbewerbsrechtliche Überprüfung der Extremus AG

In diesem Abschnitt wollen wir uns mit der Frage befassen, wie die staatliche Mithaftung bei der Extremus AG eine Beihilfe i. S. d. Art. 87 bis 89 EGV darstellen könnte. Eine solche Beihilfeneigenschaft kann sowohl in der staatlichen Haftungsgarantie selbst sowie in der Möglichkeit der Bildung von steuerfreien Rückstellungen gesehen werden. [43] Des Weiteren wird untersucht, ob eine eventuelle staatliche Beihilfe in diesem Fall ausnahmsweise gemäß Art. 87 Abs. 2 Buchst. b zulässig sein könnte.

4.1. Staatsgarantie als Beihilfe

Die der Extremus AG gewährte Staatsgarantie könnte eine staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EGV darstellen. Der Begriff der Beihilfe ist hier weit auszulegen. Als Beihilfe kommt jede Form der Vergünstigung in Frage, für die keine marktgerechte Vergütung bezahlt wird. [44] Vor allem kommt es bei der Frage, ob eine Beihilfe vorliegt, nicht darauf an, dass finanzielle Mittel tatsächlich der Extremus AG zugeflossen sind. Vielmehr ist der Beihilfecharakter der staatlichen Haftungsgarantie bereits zu bejahen, wenn die Risikoübernahme durch den Staat nicht mit marktgerechten Preisen vergütet wird.

Somit konzentriert sich unsere Untersuchung auf die Frage, ob ein marktwirtschaftlich handelnder Investor die Haftungsgarantie in Höhe von 10 bzw. 8 Mrd. Euro zu den ausgehandelten Konditionen gegeben hätte. Die Kontrollfrage dieses „private investor’s test“ lautet also, ob sich eine private Rückversicherungsgesellschaft bzw. ein Konsortium von Erst- und Rückversicherern finden lässt, die Haftung gegen Terrorismusrisiken in Höhe von 10 bzw. 8 Mrd. Euro gegen die für den Staat ausgehandelten Versicherungsprämien zu übernehmen.

Der Staat hat gemäß der Bedingungen mit der Extremus AG für die Jahre 2002/03 Anspruch auf 9 % der Prämien. Dieser Prämienanspruch steigt auf 10,8 % für das Jahr 2004 und 12 % für das Jahr 2005. Es wurde ursprünglich in der Planungsphase erwartet, dass die Extremus AG im Jahr 2003 Prämieneinnahmen in Höhe von 550 Mio. Euro erzielt, was einen staatlichen Anteil von 49,5 Mio. Euro bedeuten würde. Diese erwarteten Prämieneinnahmen für den Staat entsprechen nach Expertenmeinung jedoch bei weitem nicht den übernommenen Haftungsrisiken. Dieses Missverhältnis zwischen Risikoübernahme und Prämieneinnahmen wird zudem noch durch den tatsächlichen Verkauf der Prämienentwicklung bei der Extremus AG verstärkt. [45]

Des Weiteren ist zu untersuchen, ob sich überhaupt ein privater Investor finden lässt, der bereit ist, auch zu wesentlichen höheren Prämien eine solche hohe Haftungssumme zu übernehmen. Unabhängig davon, ob diese Frage bejaht werden kann oder nicht, ist die staatliche Haftungsübernahme allein aufgrund der zu niedrigen und nicht risikogerechten Prämie als Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EGV zu werten.

Damit diese Beihilfe als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten gilt, müssen gemäß Art. 87 Abs. 1 EGV noch weitere Voraussetzungen gelten. Die Beihilfe muss nämlich

  • aus staatlichen Mitteln stammen und

  • bestimmte Unternehmen begünstigen,

  • wodurch der Wettbewerb verfälscht wird bzw. verfälscht werden kann.

Die staatliche Herkunft der als Beihilfe zu geltenden staatlichen Haftungszusage steht außer Zweifel, da diese Haftungsgarantie direkt vom Finanzministerium zugesagt wurde. Im Schadenfall müsste der Staat seinen Haftungsanteil mit Mitteln aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanzieren.

Weiter kommt diese Beihilfe einem bestimmten Unternehmen, nämlich der Extremus AG, zugute, so dass diese Voraussetzung als erfüllt angesehen werden muss.

Letztlich ist zu prüfen, ob der Wettbewerb durch die gegebene Staatsgarantie verfälscht wird oder nicht. Diese Frage ist nicht schon deshalb zu verneinen, wenn in Deutschland kein Mitbewerber auf Markt von Terrorversicherungen existiert. Durch die Gründung der Extremus AG musste beispielsweise der in Luxemburg ansässigen Spezialversicherer „Special Risk Insurance and Reinsurance S.A. Luxemburg“ (SRIR), der auch in Deutschland Terrorversicherungen anbot, den Geschäftsbetrieb mangels Nachfragen einstellen. Für das Scheitern des SRIR sind die staatlich abgesicherten Versicherungsangebote der Extremus AG maßgeblich verantwortlich. [46]

Da die SRIR in Luxemburg ansässig war und ihre Versicherungsleistungen grenzüberschreitend in ganz Europa, also auch in Deutschland, anbot, legt ihr geschäftliches Scheitern den Schluss nahe, dass die staatlich gewährte Haftungsgarantie im Falle der Extremus AG den zwischenstaatlichen Handel behindert und damit den Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt tatsächlich und nicht nur potenziell verfälscht hat.

Insgesamt ist festzuhalten, dass die im Falle der Extremus AG gewährte Staatsgarantie eine nicht zulässige staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EGV darstellt. Diese Beihilfe ist deshalb mit dem Gemeinsamen Markt nicht vereinbar und somit verboten.

4.2. Steuerfreie Terrorrisikenrückstellung als Beihilfe

Nach der Änderung der Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen (RechVersV) sind gemäß des neu eingefügten § 30 Abs. 2a RechVersV [47] die Versicherungsunternehmen verpflichtet, für die selbst abgeschlossene und in Rückdeckung übernommene Versicherung von Terrorrisiken mit hohem Schadenrisiko eine Terrorrisikenrückstellung als eine der Schwankungsrückstellung ähnliche Rückstellung nach § 341h Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB) zu bilden.

Der Terrorrisikenrückstellung sind gemäß § 30 Abs. 2a Nr. 2 RechVersV jährlich 90 % des Saldos aus verdienten Beiträgen und Aufwendungen für erfolgsabhängige Beitragsrückerstattung, vermindert um die Aufwendungen für Versicherungsfälle und die Aufwendungen für erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattung, zuzuführen. Die Bildung der Terrorrisikenrückstellung erfolgt ertragswirksam und führt zu einer Senkung des Jahresüberschusses und des zu versteuernden Einkommens der betroffenen Versicherungsunternehmen und damit zu einer geringeren Steuerlast.

Es stellt sich im diesem Zusammenhang die Frage, ob die steuernmindernde Pflicht zur Rückstellungsbildung für Terrorrisiken eine Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. EGV darstellt und damit verboten ist. Der Begriff der Beihilfe wird im EGV nicht definiert. Art. 87 Abs. 1 EGV besagt nur, dass wettbewerbsverfälschende „Beihilfen gleich welcher Art“ mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind. Diese Formulierung „gleich welcher Art“ legt den Schluss nahe, dass der Beihilfebegriff in einem weiten Sinne zu verstehen ist. [48]

Die Steuerersparnisse, die durch die Bildung von Terrorrisikenrückstellungen entstehen, könnte eine verbotene Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EGV darstellen, da die betroffenen Versicherungsunternehmen dadurch eine staatliche Vergünstigung in Form von Steuerersparnissen erfahren.

Zunächst ist die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Steuerersparnisse nicht einen endgültigen Steuerverzicht des Staates bedeuten. Vielmehr müssen die Rückstellungen zu einem späteren Zeitpunkt erfolgswirksam aufgelöst werden, wenn der Versicherungsvertrag aufgelöst wird bzw. wenn in einem Jahr die Schadenaufwendungen die Prämien übersteigen. [49] Zum Zeitpunkt der Auflösung erhöht sich das zu versteuernde Einkommen um den entsprechenden Betrag. Somit stellt die steuerfreie Terrorrisikenrückstellung keinen endgültigen Steuerverzicht dar, sondern lediglich eine Steuerstundung.

Dennoch werden die betroffenen Versicherungsunternehmen durch die Möglichkeit der Steuerstundung begünstigt, da ihnen Zinsvorteile entstehen. Es würde dem Regelungszweck des europäischen Wettbewerbsrechts widersprechen, eine Beihilfe nur in Fällen endgültigen Steuerverzichts anzuerkennen. Die Gefahr einer Wettbewerbsverfälschung kann nämlich bereits entstehen, wenn ein bestimmtes Unternehmen dank der Steuerstundung in den Genuss von Zinsvorteilen kommt und dadurch begünstigt wird. [50] Die Steuerstundung in Form von steuerfreien Terrorrisikenrückstellung kann somit eine Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EGV darstellen.

Darüber hinaus muss die Beihilfe gemäß Art. 87 Abs. 1 EGV aus staatlichen Mitteln stammen und bestimmte Unternehmen derart begünstigen, dass der Wettbewerb dadurch verfälscht wird bzw. verfälscht werden kann, damit sie als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten gilt.

Die Begünstigung in Form der Steuerstundung bedeutet zugleich einen Verzicht des Staates auf Steuereinnahmen und stammt deshalb zweifelsfrei aus staatlichen Mitteln. Zu berücksichtigen ist die Tatsache, dass die steuerfreien Rückstellungen nicht in voller Höhe als Beihilfe anzusehen sind, sondern lediglich die Zinserträge, die im Zusammenhang mit den Mitteln aus der Terrorrisikenrückstellung erwirtschaftet werden.

Weiter ist die Frage zu prüfen, ob der innergemeinschaftliche Wettbewerb aufgrund der durch die veränderte Verordnung zur Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen geschaffenen Möglichkeit der steuerfreien Rückstellungsbildung verfälscht wird bzw. verfälscht werden kann.

Diese Frage ist wie schon bei der Staatsgarantie nicht schon deshalb zu verneinen, wenn die Extremus AG in Deutschland der alleinige Anbieter auf Markt von Terrorversicherungen ist bzw. dass andere Anbieter von Terrorversicherungen auch in den Genuss von steuerfreien Terrorrisikenrückstellungen kommen würden. Bereits die Gefahr einer Wettbewerbsverfälschung genügt, um die Beihilfe als verboten gelten zu lassen.

Es ist insbesondere zu beachten, dass nur in Deutschland ansässige Versicherungsunternehmen in den Genuss der steuerfreien Terrorrisikorückstellung im Sinne des § 30 Abs. 2a RechVersV kommen. Damit besteht die Gefahr, dass andere im europäischen Ausland ansässige Mitbewerber benachteiligt werden. Die Frage, ob solche Mitbewerber im europäischen Ausland tatsächlich existieren, ist irrelevant. Allein die Möglichkeit, dass potenzielle Mitbewerber benachteiligt werden können, genügt, um innergemeinschaftliche Wettbewerbsverzerrungen hervorzurufen. Die Nicht-Existenz von europäischen Mitbewerbern auf dem deutschen Versicherungsmarkt für Terrorrisiken könnte gerade das Ergebnis einer solchen Wettbewerbsverzerrung sein.

Außerdem könnte die Gefahr der Wettbewerbsverzerrung darin bestehen, dass die im Terrorversicherungsgeschäft tätigen deutschen Unternehmen die durch die steuerfreie Terrorrisikenrückstellung gewonnenen Mittel dazu verwenden, andere Versicherungszweige zu subventionieren. Die Quersubventionierung anderer Versicherungszweige (z.B. Haftpflicht- oder Industrieversicherung) kann zu einer Wettbewerbsverzerrung führen, wenn das betroffene Versicherungsunternehmen bei diesen Versicherungszweigen mit anderen europäischen Wettbewerbern konkurriert. Dass im Fall der Extremus AG zurzeit keine Quersubventionierung vorliegt, da sie ausschließlich Terrorversicherungen anbietet, ist unerheblich. Allein die abstrakte Gefahr einer solchen Quersubventionierung und damit der Wettbewerbsverfälschung ist ausreichend, damit die Beihilfe gemäß Art. 87 Abs. 1 EVG als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten gilt. Es ist z.B. nicht auszuschließen, dass die Extremus AG zukünftig ihre Geschäftstätigkeit auf andere Versicherungszweige ausweitet oder dass ein anderer Versicherer in den Markt eintritt, der neben Terrorrisiken auch andere Risiken versichert.

Die Möglichkeit der steuerfreien Rückstellungsbildung kann somit den innergemeinschaftlichen Handel behindern und den europäischen Wettbewerb auf dem Versicherungsmarkt verfälschen.

Es bleibt noch zu prüfen, ob die Beihilfe in Form von steuerfreien Rückstellungen nur bestimmten Unternehmen zugute kommt. Diese Frage ist auf dem ersten Blick zu bejahen, da nur einer begrenzten Anzahl von Unternehmen, nämlich Versicherungsunternehmen (Erst- oder Rückversicherer), die Terrorversicherung anbieten, gestattet ist, eine Terrorrisikorückstellung im Sinne des § 30 Abs. 2a RechVersV zu bilden. [51]

Allerdings ist bei steuerlichen Beihilfen die erforderliche Bestimmtheit für die Anwendung von Art. 87 Abs. 1 EVG nach Meinung der europäischen Kommission nur gegeben, wenn sie einen offensichtlichen Bruch mit dem allgemeinen nationalen Steuersystem darstellen. [52] Sonst könnten die Schwankungsrückstellungen und ähnliche Rückstellungen im Sinne des
§ 30 RechVersV auch eine unzulässige Beihilfe nach Art. 87 Abs. 1 EGV sein.

In Deutschland wird die Pflicht bzw. das Wahlrecht zur Bildung von Rückstellungen in § 249 HGB geregelt. Gemäß § 249 Abs. 1 HGB sind alle Kaufleute verpflichtet, für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden. Darüber hinaus verlangt § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, dass die Bewertung der im Jahresabschluss ausgewiesenen Vermögensgegenstände und Schulden nach dem sog. Vorsichtsprinzip erfolgen soll. Mit Abschluss des Versicherungsvertrags haftet der Versicherer für die vertraglich vereinbarten Schäden. Die genaue Höhe der Haftung ist ungewiss, so dass der Versicherer eine Rückstellung für diese ungewissen Verbindlichkeiten bilden muss. Bei der Schätzung der ungewissen Verbindlichkeit ist das Vorsichtsprinzip anzuwenden, d.h. der Versicherer soll die Rückstellung so hoch ansetzen, dass die anfallende Verbindlichkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Rückstellung abgedeckt werden kann. Die Bildung einer Rückstellung mit steuermindernder Wirkung erfolgt im Rahmen allgemeiner, für alle Kaufleute geltender Bestimmungen und stellt somit keinen Systembruch in der Besteuerung dar.

Allerdings ist zu beachten, dass nach dem Wortlaut des § 249 Abs. 1 HGB nur Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden sind. Dies bedeutet, dass die wirtschaftliche Verursachung der ungewissen Verbindlichkeit vor dem Bilanzstichtag erfolgen muss. Dies ist beispielsweise bei den Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Schadenfälle (Schadenrückstellungen) der Fall: die Schadenereignisse haben bereits stattgefunden, lediglich die Schadenmeldung bzw. die Schadenabwicklung ist noch nicht erfolgt. Bei der in der Diskussion stehenden Terrorrisikenrückstellung sieht es anders aus. Seit Existenz der Extremus AG gibt es keine Schadenfälle [53], so dass auch keine Verbindlichkeiten aus schwebenden Geschäften entstehen können. Die Versicherungsverträge mit der Extremus AG haben eine Laufzeit von einem Jahr, so dass am Anfang des Jahres neue Verträge abzuschließen sind. Folglich kann die am Jahresende zu bildende Terrorrisikenrückstellung nur ungewisse Verbindlichkeiten aus zukünftig abzuschließenden Verträgen betreffen und wird durch § 249 Abs. 1 i.V.m. § 252 Abs.1 Nr.4 HGB nicht gedeckt. In dieser Hinsicht könnte die Pflicht zur Bildung der Terrorrisikenrückstellung einen Systembruch in der Besteuerung darstellen. [54]

Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass bei Terrorismusrisiken eine besondere Art von Risiken im Sinne des § 341 h Abs. 2 HGB vorliegt, bei denen der Ausgleich von Prämien und Versicherungsleistungen wegen des sehr hohen Schadenrisikos nach versicherungsmathematischen Grundsätzen nur über die Zeit erfolgen kann. Bei dieser besonderen Art von Risiken ist ein gewöhnlicher Risikoausgleich im Kollektiv innerhalb eines Geschäftsjahres nicht möglich. Vielmehr muss der Risikoausgleich über die Zeit erfolgen. Aufgrund des aus versicherungsmathematischer Sicht notwendigen Risikoausgleichs über mehrere Geschäftsjahre erscheint eine Rückstellung zur Glättung der Ergebnisse über die Zeit gerechtfertigt und stellt somit keinen offensichtlichen Bruch im allgemeinen Steuersystem dar.

Schließlich könnte die Höhe der zu bildenden Terrorrisikenrückstellung einen Ausnahmecharakter haben, wenn sie außergewöhnlich hoch erscheint. Der Höchstbetrag der Terrorrisikenrückstellung entspricht bei in Rückdeckung abgesicherten Terrorrisiken der Haftungshöchstsumme. Im selbst abgeschlossenen Geschäft beträgt der Höchstbetrag das 15-fache der verdienten Beträge des Geschäftsjahres (vgl. § 30 Abs. 2a Nr. 1 RechVersV). Diese Höchstbeträge gelten nach herrschender Meinung wegen der sehr hohen Schadenspotenziale und zeitlichen Schwankungen als nicht außergewöhnlich hoch. Somit stellt die Steuerbeihilfe in Form einer steuerfreien Rückstellung keinen Bruch in der nationalen Steuergesetzgebung dar und ist deshalb keine verbotene Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EVG.

4.3. Zulässigkeit der Staatsgarantie als Ausnahmetatbestand

Wir haben in den vorherigen Darstellungen gesehen, dass die der Extremus AG gegebene Staatsgarantie eine verbotene staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EGV darstellt. Diese staatliche Beihilfe könnte jedoch im Ausnahmefall zulässig sein. Einschlägig für die Terrorversicherung ist Art. 87 Abs. 2 Buchst. b EGV. Danach sind Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind, ausnahmsweise gestattet.

Fraglich ist, ob Terroranschläge als außergewöhnliche Ereignisse im Sinne des Art. 87 Abs. 2 Buchst. b EGV gelten können. Nach dem Wortlaut des Gesetzes müssen diese außergewöhnlichen Ereignisse das gleiche Ausmaß an Schäden für die Bevölkerung wie Naturkatastrophen verursachen. Es ist insbesondere im konkreten Fall der Extremus AG zu prüfen, ob durch die Terrorversicherung Schäden ab einem bestimmten, den Naturkatastrophen gleichgestellten Ausmaß versichert werden.

Die von der Extremus AG angebotene „Terrorismus-Police“ bietet Versicherungsschutz für Sach- und Betriebsunterbrechungsschäden infolge eines terroristischen Anschlags mit einer Versicherungssumme pro Police von größer als 25 Mio. Euro an. Die versicherten Objekte müssen nach den Geschäftsbedingungen der Extremus AG ausschließlich in Deutschland gelegen sein. Die sehr hohe Mindestversicherungssumme von 25 Mio. pro Police erreicht nach herrschender Meinung das Ausmaß von Schäden, die gewöhnlich durch Naturkatastrophen verursacht werden. Die Terroranschläge stellen somit nach herrschender Meinung außergewöhnliche Ereignisse im Sinne des Art. 87 Abs. 2 Buchst. b dar. Darüber hinaus sorgt die territoriale Begrenzung auf Deutschland dafür, dass die Extremus AG nicht mit Hilfe deutscher staatlicher Beihilfe auf dem europäischen Versicherungsmarkt einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil erringt.

Weiter ist nach dem Wortlaut des Art. 87 Abs. 2 Buchst. b EGV die Voraussetzung zu prüfen, dass die Beihilfe zur Beseitigung von Schäden gewährt werden muss. Es muss somit ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Gewährung von Beihilfe und der Beseitigung von Schäden bestehen. [55] Ein solcher Zusammenhang ist z.B. zu sehen, wenn staatliche Beihilfen dafür gewährt werden, um Hochwasseropfern zu helfen.

Gegen einen solchen unmittelbaren Zusammenhang könnte das Argument aufgeführt werden, dass die Beihilfe in Form von Staatsgarantie der Extremus AG bereits gewährt ist, bevor ein terroristischer Anschlag stattgefunden hat. Dieses zeitliche Auseinanderklaffen von Schadenereignis und Beihilfegewährung könnte die Unmittelbarkeit verneinen.

Die europäische Kommission legt jedoch den Begriff der Unmittelbarkeit im Sinne des Art. 87 Abs. 2 Buchst. b EGV weit aus. Ihr genügt, dass die staatlich gewährte Beihilfe dazu bestimmt ist, die durch einen terroristischen Anschlag verursachten Schäden zur beseitigen. Ein sachlicher unmittelbarer Zusammenhang ist somit ausreichend, dagegen ist ein zeitlicher Zusammenhang nicht erforderlich, um die Unmittelbarkeit der Beihilfe zu bejahen.

Somit erfüllt die staatlich gewährte Beihilfe in Form von Staatsgarantie die Ausnahmevoraussetzungen des Art. 87 Abs. 2 Buchst. b EGV, so dass sie ausnahmsweise mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und zulässig ist.

5. Ergebnisse

Der besondere Charakter des Terrorismusrisikos wirft die Frage auf, ob solche Risiken überhaupt versicherbar sind. Die Anschläge vom 11. September haben ein bislang in der Versicherungswirtschaft nicht kalkuliertes Ausmaß an Schäden verursacht. Alle bisherigen aktuariellen Modelle zur Schadenberechnung stoßen an ihre Grenzen. Die Versicherungsmärkte würden einen weiteren Anschlag dieses Ausmaßes nicht verkraften können, so dass sie dann zusammenbrechen würden. Aufgrund der nahezu unmöglichen Einschätzung der Schadeneintrittswahrscheinlichkeit und des nicht fassbaren Kumulrisikos ist in naher Zukunft eine reine privatwirtschaftliche Lösung der Terrorismusrisikodeckung nicht zu erwarten. [56]

Angesichts der besonderen Bedeutung des Versicherungsschutzes als Produktionsfaktors in der Volkwirtschaft ist ein staatliches Eingreifen erforderlich und wünschenswert. Es handelt sich hier nicht um die Frage „ob“, sondern „wie“ der staatliche Eingriff in die Versicherungsmärkte erfolgen sollte [57], damit möglichst wenig Marktverzerrungen auftreten. Es empfiehlt sich hierbei marktwirtschaftliche Lösungen mit staatlicher Garantiezusage, da eine staatliche Zwangsversicherung gegen Terrorismusrisiken unweigerlich Probleme wie Moral-Hazard-Verhalten durch die Versicherung hervorruft. Darüber hinaus verfügen die privaten Versicherungsunternehmen gegenüber dem Staat über erhebliche Erfahrungsvorteile, was die Prämieberechnung und Schadenabwicklung betrifft. [58]

Eine staatliche Risikoübernahme darf jedoch nur in Fällen in Betracht gezogen werden, wenn privaten Versicherern eine Deckung nicht oder nicht zu vertretbaren Preisen möglich ist. [59] Dazu gehören z.B. die Versicherung von Großanlagen und Großprojekten sowie Anlagen, von denen ein hohes potenzielles Risiko für weite Bevölkerungsteile ausgehen kann. Deshalb soll die staatliche Risiko-(Mit)übernahme nur ab einer bestimmten hohen Versicherungssumme erfolgen. Bei der Extremus AG liegt diese Grenze bei 25 Mio. Euro, die in Fachkreisen als hinreichend hoch erachtet wird.

Unter staatlicher Beteiligung ist es gelungen, über die Extremus AG eine Versicherungslücke für Terrorismusrisiken zu schließen. Diese privatwirtschaftliche Lösung mit staatlicher Garantie gewährt den betroffenen Unternehmen den erforderlichen Versicherungsschutz und löst somit positive Effekte für die gesamte Volkswirtschaft aus.

Darüber hinaus ist durch die Beschränkung der Staatsrolle bei der Extremus AG gewährleistet, dass ordungspolitische und wettbewerbsrechtliche Verzerrungen auf ein erträgliches Maß begrenzt werden. Die wettbewerbsrechtliche Überprüfung der Extremus AG hat ergeben, dass die der Extremus AG gegebene Staatsgarantie zwar eine verbotene staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EGV darstellt, jedoch gemäß Art. 87 Abs. 2 Buchst. b EGV ausnahmsweise zulässig ist. Die Pflicht zur steuerfreien Rückstellungsbildung bei Terrorrisiken ist dagegen keine staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EGV, da hier kein Bruch mit dem allgemeinen deutschen Steuersystem vorliegt.

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[1] * Universität Ulm, Fakultät für Mathematik und Wirtschaftswissenschaften, Arbeitsgebiet Versicherungswirtschaft, Helmholtzstr. 18, 89069 Ulm, tristan.nguyen@mathematik.uni-ulm.de18, 89069 Ulm, tristan.nguyen@mathematik.uni-ulm.de

Der Autor bedankt sich herzlich bei einem anonymen Gutachter für wertvolle Hinweise.

[2] Zur Versicherbarkeit von Risiken allgemein vgl. Karten, W (1972) sowie Berliner, B. (1982).

[3] Vgl. Gas, B. (2005), S. 471. Vgl. Gas, B. (2005), S. 471.

[4] Zur Versicherbarkeit von Terrorismusrisiken vgl. Wolgast (2001, 2002).

[5] Zur Bedeutung des Risikos als Produktionsfaktor und zur wohlfahrtssteigernden Wirkung von Versicherungsschutz vgl. Sinn, H.-W. (1986, 1989).

[6] Vgl. Nell, M. (2001), S. 1. Vgl. Nell, M. (2001), S. 1.

[7] Banken könnten die Vergabe von Krediten von der Existenz des Versicherungsschutzes abhängig machen.

[8] Als Folge der Ereignisse am 11. September 2001 kündigten z.B. alle Versicherungsunternehmen die bestehenden Verträge für den Schutz von Fluggesellschaften und Flughäfen gegen das Terrorismusrisiko. Auf den privaten Versicherungsmärkten waren nur Deckungen mit Versicherungssummen zu erhalten, die für viele Strecken weit unterhalb der geforderten Mindestdeckungen liegen. Ohne die gewährten staatlichen Haftungsgarantien wäre der Luftverkehr wohl aufgrund mangelnden Versicherungsschutzes zusammengebrochen. Dies hätte verheerende Auswirkungen für die gesamte Volkswirtschaft im Allgemeinen und für die Beschäftigten der betroffenen Branchen im Besonderen.

[9] Ein terroristischer Anschlag kann nur passieren, wenn staatliche Behörden den Anschlag vorher nicht verhindern konnten.

[10] Vgl. Ruprecht, W. und M. Wolgast (2003), S. 11.

[11] Das Phänomen, dass ein Versicherter sich anders, meist riskanter, verhält als im Falle ohne Versicherungsschutz, wird in der Fachliteratur als „Moral-Hazard-Verhalten“ bezeichnet.

[12] In der Praxis finden sich zahlreiche Beispiele für das Moral-Hazard-Verhalten bei staatlicher Risikoübernahme, z.B. bei der Entscheidung, ob ein Gebäude in einem vom Hochwasser gefährdeten Gebiet gebaut werden soll, wird das Hochwasserrisiko meist nicht genügend berücksichtigt, da der Bauherr eventuell davon ausgehen kann, staatliche Hilfen im Schadenfall zu erhalten. Weitere Beispiele für ineffizient staatlich gestaltete Risikoübernahmen vgl. Nell, M. (2001), S. 3 f.

[13] Vgl. hierzu Nell, M. (1990) und Mayer, D (1989).

[14] Im Folgenden kurz Extremus AG.

[15] Vgl. Gas, B. (2005), S. 483 f. Vgl. Gas, B. (2005), S. 483 f.

[16] Ziel dieser strikten Trennung zwischen Terrorismusversicherung und Sach- bzw. Feuerversicherung ist der Versuch, eine Quersubventionierung zwischen den Versicherungssparten zu unterbinden.

[17] Vgl. Extremus AG (2005), S. 7.

[18] Die Staatsgarantie ist in der Zwischenzeit um zwei Jahre bis Ende 2007 verlängert worden.

[19] Vgl. Extremus AG (2005), S. 7.

[20] Vgl. Gas, B. (2005), S. 486. Vgl. Gas, B. (2005), S. 486.

[21] Vgl. Extremus AG (2004), S.8.

[22] Vgl. Extremus AG (2005), S.7.

[23] Vgl. Extremus AG (2005), S.8.

[24] Vgl. Gas, B. (2005), S. 488. Vgl. Gas, B. (2005), S. 488.

[25] Vgl. Extremus AG (2005), S.9.

[26] Vgl Gleis, A., M. Hirsch und T. Burkert (1993), Rn. 239.

[27] Vgl. Wolf, F. (2005), S. 11.

[28] Vgl. Geiger, R (2004), Art. 81 EGV, Rn. 11.

[29] Vgl. Geiger, R (2004), Art. 81 EGV, Rn. 14.

[30] Vgl. Wolf, F. (2005), S. 14.

[31] Vgl. Geiger, R (2004), Art. 82 EGV, Rn. 1.

[32] Vgl. Weiß, W (2002), Art. 82 EGV, Rn. 30.

[33] Vgl. Jung, C. (2002), Art. 86 EGV, Rn. 3.

[34] Vgl. Heinemann, A. (1996), S. 181.

[35] Vgl. Heinemann, A. (1996), S. 185 und Koenig, C. und A. Haratsch (2003), Rn. 880.

[36] Vgl. Jung, C. (2002), Art. 86 EGV, Rn. 34.

[37] Vgl. Koenig, C. und A. Haratsch (2003), Rn. 843.

[38] Vgl. Koenig, C. und A. Haratsch (2003), Rn. 847 und Wolf, F. (2005), S. 163.

[39] Vgl. Wolf, F. (2005), S. 163.

[40] Vgl. Oppermann, T. (2005), Rn. 1108.

[41] Vgl. Koenig, C., J. Kühling und N. Ritter (2005), S. 95.

[42] Vgl Wolf, F. (2005), S. 18.

[43] Vgl. Wolf, F. (2005), S. 163.

[44] Vgl. Koenig, C. und A. Haratsch (2003), Rn. 847.

[45] Vgl. Entwicklung der Extremus AG im Kapitel 2.

[46] Vgl. Wolf, F (2005), S. 167.

[47] § 30 Abs. 2a RechVersV ist erstmals auf den Jahresabschluss und den Konzernabschluss für das am 22. Oktober 2002 laufende Geschäftsjahr anzuwenden, vgl. § 64 Abs. 8 RechVersV.

[48] Vgl. Koenig, C. und A. Haratsch (2003), Rn. 847.

[49] § 30 Abs. 2a Nr. 3 RechVersV.

[50] Vgl. Wolf, F. (2005), S. 174.

[51] § 30 Abs. 2a RechVersV schreibt vor, dass für die selbst abgeschlossene oder in Rückdeckung übernommene Versicherung von Terrorrisiken mit hohem Schadenrisiko eine Terrorrisikenrückstellung zu bilden ist.

[52] Vgl. Koenig, C., J. Kühling und N. Ritter (2005), S. 81 f.

[53] Vgl. Extremus (2005), S. 8.

[54] Für die Schwankungsrückstellung und Großrisikenrückstellung im Sinne des § 30 RechVersV ist die Situation ähnlich gelagert. Für die ungewissen Verbindlichkeiten aus schwebenden Geschäften wird die Schadenrückstellung gebildet, bei deren Berechnung ein Sicherheitszuschlag von bis zu 15 % auf die durchschnittlichen Schadenaufwendungen erlaubt ist (vgl. BMF-Schreiben vom 05.05.2000 - IV C 6 - S 2775 - 9/00). Die Bildung der Schwankungsrückstellung zur Glättung der Ergebnisse über die Jahre hat keinen wirtschaftlichen Hintergrund und ist nach den internationalen Rechnungsstandards IFRS (International Financial Report Standards) auch nicht zulässig. Es ist deshalb zu erwarten, dass die deutschen Finanzbehörden in den nächsten Jahren dieses Thema aufgreifen und durchsetzen wollen, dass die Zuführung zur Schwankungsrückstellung in der für die Steuerberechnung maßgeblichen Steuerbilanz nicht bzw. nicht voll anrechenbar ist. In Österreich z.B. kann die Zuführung zur Schwankungsrückstellung nur zur Hälfte steuermindernd angerechnet werden.

[55] Vgl. Rawlinson, F. (1999), Art. 87 EGV, Rn. 24.

[56] Vgl. Gas, B. (2005), S. 494.

[57] Vgl. Ruprecht, W. und M. Wolgast (2003), S. 12 f.

[58] Vgl. Ruprecht, W. und M. Wolgast (2003), S. 13.

[59] Vgl. Nell, M. (2001), S. 6 f. Vgl. Nell, M. (2001), S. 6 f.

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